Am Rand des Jahres
von Markus Bodenmüller, geschrieben am 31. Dezember.
Zwischen dem, was war, und dem, was kommt, liegt ein Atemzug – und ich bleibe darin.
Heute ist der letzte Tag des Jahres.
Viele ziehen Linien.
Ziehen Schlüsse.
Ziehen Bilanz.
Ich sitze hier und merke:
Nichts in mir will abschließen.
Nicht, weil nichts geschehen wäre.
Sondern weil manches noch atmet.
Es gibt Dinge,
die waren zu leise für ein Fazit.
Zu zart für ein Urteil.
Zu wahr für eine Zusammenfassung.
Sie brauchen keinen Punkt.
Vielleicht nicht einmal ein Komma.
Dieses Jahr hat mich nicht „weitergebracht“.
Es hat mich eher angehalten.
Manchmal sogar zurückgeführt.
Zu Stellen, an denen ich schon einmal war
und dachte, ich sei längst vorbei.
Ich habe gelernt,
dass Gehen nicht immer Vorwärts bedeutet.
Und Bleiben nicht Stillstand ist.
Es gab Momente von Klarheit.
Und lange Phasen ohne Namen.
Beides gehört.
Wenn ich heute etwas spüre,
dann ist es kein Wunsch nach dem Neuen.
Sondern ein Respekt vor dem Ungesagten.
Vielleicht ist das genug für diesen Abend.
Kein Ausblick.
Kein Vorsatz.
Nur dieser Atemzug,
der nicht weiß,
ob er zum alten oder zum neuen Jahr gehört.
Und vielleicht ist genau das der Übergang.
Nicht alles, was war, will verstanden werden – manches will einfach gehalten werden.