Wenn Trauer nicht bricht, sondern trägt

Er hatte gedacht, der Tag würde ihn zerreißen.
Dass etwas in ihm brechen müsste,
wenn der Abschied endlich da war.
Doch als er dann kam,
spürte er Tränen —
aber keinen Sturz.
Nur ein leises, unerwartetes Stehen.

Wenn Trauer trägt

Es gibt einen Unterschied zwischen Schmerz und Überwältigung.
Schmerz öffnet das Herz.
Überwältigung nimmt ihm den Boden.

Viele von uns fürchten den Verlust nicht wegen der Trauer,
sondern wegen der Vorstellung, daran zu zerbrechen.
Doch ein Nervensystem, das gelernt hat, sich bei innerer Erschütterung
zu weiten statt zu schließen,
kann fühlen, ohne unterzugehen.

Das ist kein Funktionieren und kein Wegdrücken.
Es ist der stille Beweis dafür,
dass die innere Architektur trägt.

Und manchmal zeigt uns erst ein Abschied,
wie sehr wir über die Jahre
in uns selbst angekommen sind.

Die Küste, an der die Wellen nicht mehr ziehen

Es gibt eine Küste, von der die Menschen selten erzählen.
Nicht jene, an der die Stürme toben,
sondern die, die man erst findet,
wenn man lange mit sich gegangen ist.

An dieser Küste schlagen die Wellen auch,
manchmal hart, manchmal flach.
Aber sie ziehen nicht mehr in die Tiefe.
Sie erinnern nur daran,
dass Wasser kommt und geht
und doch denselben Sand formt.

Dort steht ein Mensch,
der nicht widersteht und nicht zerfällt.
Er lässt die Trauer ankommen wie ein vertrautes Wetter,
nicht feindlich, nicht gefürchtet,
sondern als etwas,
das durch ihn hindurch darf.

Und während die Brandung atmet,
spürt er etwas Erstaunliches:
dass zwischen den Wellen
ein Raum entstanden ist,
den er früher nicht hatte —

ein Raum,
in dem Abschied weh tut
und trotzdem hält.

Trauer zeigt uns nicht, wie viel wir verlieren —
sondern wie weit wir inzwischen tragen können.

Mini-Übung – Der Atem hinter das Herz

  1. Setz dich oder steh still, ohne etwas zu verändern.
  2. Leg eine Hand auf die Brustmitte.
  3. Atme so, als würde der Atem hinter die Brust fließen —
    sanft, leicht, wie ein feines Aufhellen.
  4. Lass beim Ausatmen den oberen Rücken weicher werden.
  5. Spür zwei Sekunden nach,
    ob ein Hauch mehr Raum in dir entstanden ist.
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